Die kleine Raupe.

Im tiefsten Winter, als der Schnee bedeckte das Geäst

Schlief unter den Blätterbergen die kleine Raupe ganz fest.

Sie schlief und träumte von dem Sonnenschein

Bis der Frühling kam, da war sie ganz allein

Die kleine Raupe öffnete ihr Heim

Sie ließ den Duft der Blumen und Blätter herein

Oben auf der Erde war alles so schön

Sie hörte ein Lied, das vor ihrem Hause ertön

Eine Nachtigall stieg von den Bäumen herab

»Bäh, wer bist du denn?« sagte sie knapp

»Du leuchtest wie Feuer, das gefällt mir nicht

Und wenn ich dich beiße, ohne jede Absicht,

deine leuchtende Haut mir in den Schnabel sticht.«

Die Raupe blickte an sich herab

und machte sich steif wie ein dicker Stab

Traurig kroch sie zwischen die Blätter zurück

Und vergaß auf der Stelle ihr bisheriges Glück

Die Tage vergingen, sie blieb ohne Grund

in der dunklen Höhle im Untergrund

Sie weinte und dachte an den Sonnenschein

Und saftigen Laub unten am Hain

Ein Rauschen lockte sie hervor

und ein schöner Schmetterling stieg empor.

»Warte!« rief die Raupe voller Hast.

Und stieg auf den allerhöchsten Ast.

»Du bist so erhaben, so schön und so fein

ich will so wie du sein und nicht mehr so klein.«

Der Schmetterling setzte sich neben sie

»Das was du bist, sagt dir deine eigne Fantasie.

Du bist so wie ich vor einiger Zeit

Und deine Verwandlung ist auch nicht weit.«

Er verschwand in der Ferne und ließ sie zurück

Ganz langsam nur dachte sie an ihr Glück

Sie träumte von Blumen und Sonnenschein

und als sie erwachte war sie nicht mehr allein.

Die Nachtigall sang immer noch ihr Lied

Als sie sie erblickte, wusste sie nicht was geschieht

Sie wurde zum Schmetterling, so schön und so fein

Die Raupe war also nicht mehr so klein

Sie flog in die Lüfte und sah in die Welt

Sie war frei und konnte tun was ihr gefällt

Wir sind alle wie die kleine Raupe.

Wir kommen in diese Welt erfüllt und geborgen und  je mehr wir uns trauen diese Geborgenheit zu verlassen, desto gefährlicher erscheint sie für uns. Voller Vorfreude gehen wir raus und wollen Dinge erleben und ernten nicht selten böse Worte von Menschen, die Angst vor unserer Schönheit haben. Die uns für unsre Ausgelassenheit und Freude beneiden. Und wir werden traurig verstecken uns hinter hohen Mauern, die uns beschützen,  aber auch von der ganzen Welt abgrenzen. Einsam und verlassen verbringen wir Jahre in dem Kerker den wir uns selbst gebaut haben. Wir sehnen uns nach Liebe, nach Sonne und Wärme. Und wenn der Schmerz nicht mehr auszuhalten ist und der Körper von Krankheiten zerfällt, fangen wir an uns zu erinnern, wer wir wirklich sind. Wofür wir bestimmt worden sind. Aus welchem Grund wir auf die Erde kamen. Wir erkennen wieder unsere Schönheit. Und wenn wir endlich bereit sind unsere Flügel zu öffnen und aus dem dicken Kokon zu schlüpfen, spüren wir die Freiheit, die wir uns selbst erschaffen haben. Die ganze Welt liegt uns zu Füssen und von ganz Oben erkennen wir die ganze Schönheit der Erde. Wir treffen auf unsersgleichen. Von nun an wissen wir wer wir sind und was unsere Aufgabe ist. Von nun an werden wir von der ganzen Welt für unseren Mut bewundert.

Ein Gedanke zu „Die kleine Raupe.

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